Gymnasium von
Kaisers Gnaden
Wo
hatte man im 19. Jahrhundert beste Chancen, der Prominenz aus Hochadel, Kunst
und Wissenschaft ganz nahe zu kommen? In Bad Ems! Hier schrieb Dostojewski an
seinem Roman „Die Brüder Karamasow“, hier vollendete Richard Wagner die Oper
„Parsifal“, hier wirkte der Komponist Jacques Offenbach als Konzertmeister. Vor
allem aber kurte Kaiser Wilhelm I.
höchstselbst regelmäßig an der Lahn. Dies machte sich eine Delegation aus dem
Westerwald zunutze, um seiner Majestät untertänigst eine Bitte vorzutragen: Das
Gymnasium zu Montabaur sollte seinen Namen tragen.
Das
1866 eingerichtete preußische Progymnasium wurde auf Betreiben der Stadt mit
kaiserlicher Verfügung vom 11. Juli 1871 zum Vollgymnasium erhoben, was die
Initiatoren mit Stolz erfüllte. In den zurückliegenden zwölf Monaten war aber
hauptsächlich „große Geschichte“ geschrieben worden: Im Sommer 1870 hatte
Wilhelm - damals noch König von Preußen - aus der Kur die Emser Depesche an Otto von Bismarck geschickt, die letztendlich den
Krieg mit Frankreich auslöste. Er endete am 18. Januar 1871 mit der Proklamation
Wilhelms I zum Kaiser im Versailler Schloss und der Gründung eines gesamtdeutschen Nationalstaates.
Und
jetzt weilte der frisch gekürte Monarch wieder an der Lahn! Dr. Robert Paehler
ergriff die Gelegenheit beim Schopf: Der Direktor des Montabaurer Gymnasiums
begab sich zusammen mit Lehrern und etwa 170 Schülern auf Schusters Rappen nach
Bad Ems – Fahnen schwenkend und von Musik begleitet. 40 Kilometer waren für die
Hin- und Rücktour zurückzulegen. Aber das lohnte sich, denn die Aktion war von
Erfolg gekrönt. Der Kaiser empfing Dr. Paehler zum persönlichen Gespräch und
nahm den Wunsch, die Schule Kaiser-Wilhelm-Gymnasium
nennen zu dürfen, wohlwollend auf.
Die
Umsetzung ging – natürlich – nicht ohne Bürokratie über die Bühne. Am 18.
August 1871 beschloss der Stadtrat von Montabaur, „… auf Antrag des Gymnasium-Kuratoriums dahier der Anstalt den Titel
‚Kaiser-Wilhelm-Gymnasium´ zu erwirken und die eventuellen allerhöchsten
Verleihung des Titels dankend anzunehmen.“ Durch huldvolle allerhöchste Order vom 11. Oktober 1871 erhielt
die Schule endlich ihren neuen Namen – in den sich ein s eingeschlichen hatte: Kaiser-Wilhelms-Gymnasium.
Damit sollte auisgedrückt werden, dass es „sein“ Gymnasium sein sollte.Im
Nationalsozialismus fiel dieser Buchstabe weg. 1977 schließlich, als die
royalen Zeiten längst vorbei waren, wurde die Schule in Mons-Tabor-Gymnasium umbenannt.
Der
lange Marsch nach Bad Ems anno 1871 setzte jedenfalls einen Glanzpunkt in die
lokale Geschichte. Mancher Montabaurer war schlicht von den Socken. So soll
Modest Knögel, dessen Sohn an der Mission teilgenommen hatte, durch die
Altstadt eilend gerufen haben: „Unserem
Haus ist großes Heil widerfahren, dä Kaiser hot mit unserm Franz geschwätzt!“
Paul
Widner/Bernd
Schrupp
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