Evangelische Kirchengemeinde Montabaur
Zur Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde in Montabaur
Mit dem Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555 wurden erstmals im Römischen Reich Deutscher Nation grundlegende Regelungen für ein friedliches Nebeneinander zwischen der katholischen Kirche und der sich durch die von Marin Luther angestoßene Reformation seit 1517 entwickelten protestantischen (evangelischen) Glaubensrichtung geschaffen.
Langwierige Verhandlungen gab es zuvor zur Glaubensfreiheit der noch weitgehend in Leibeigenschaft lebenden Bevölkerung. Man einigte sich auf die Formel: „wessen Land, dessen Religion“ (Cuius regio, eius religio). Damit wurden die Landesherren ermächtigt, die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen. Religionsfreiheit beschränkte sich zu dieser Zeit auf die Möglichkeit eines Wohnsitzwechsels in ein anderes Land mit der passenden Religion. Allerdings war ein Umzug auch abhängig von dem Willen und der Gnade des Landesherrn. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden im Frieden von Osnabrück vom 24. Oktober 1648 einzelne Bestimmungen nachverhandelt, sowie ergänzende Regelungen beschlossen, so dass der Augsburger Religionsfriede nunmehr seine volle Wirksamkeit erlangte.
Diese enge territoriale konfessionelle Bindung wurde erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgelöst und eine tatsächliche Religionsfreiheit gewährt.
Montabaur gehörte seit alter Zeit zum Erzbistum und Erzstift (Kurfürstentum) Trier, in dem die Reformation keinen Platz fand. Jakob Marx schreibt in seinem Werk „Geschichte des Erzstifts Trier, Bd. 1.1.S. 370 dazu: „In den drei geistlichen Kurfürstenthümern Trier, Mainz und Köln, hat die Religionserneuerung Luthers keinen Eingang gefunden, indem die Kurfürsten von Trier und Mainz ununterbrochen zur Aufrechterhaltung des alten katholischen Glaubens wachten [...]“
Ohne besonderen Einfluss blieb die Entscheidung der ostwärts angrenzenden Grafschaften Nassau, Wied und Sayn, die Reformation in ihrem Territorium einzuführen; wozu auch Ortschaften zählten, die dem Erzbistum Trier (und eigentlich katholisch) zugehörten.
Die territoriale Bestimmung der Konfession durch den Landesherrn führte dazu, dass benachbarte Orte u. U. mehrheitlich oder vollständig der katholischen oder evangelischen Konfession angehörten. Trotz der Glaubensfreiheit, die ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts individuelle Entscheidungen möglich machte und der daraus entstehenden Durchmischung der Konfessionen, ist diese konfessionelle Trennung bis heute wahrnehmbar, was weiter unten näher ausgeführt wird.
Aus einer Amtsbeschreibung von Hofrat Damian Linz aus dem Jahre 1786 [1] entnehmen wir, dass es in den Ämtern Montabaur und Meudt nur ein Protestant im ganzen Amt zu finden war.
Auf Grund des Hauptdeputationshauptschluss vom Februar 1803, als vorläufiger Abschluss der Revolutionskriege gegen Frankreich, erfolgte die sogenannte Säkularisation und Mediatisierung [2]. Dieser Vertrag sah vor, dass das verbliebene rechtsrheinische Territorium des Erzstifts und Kurfürstentums Trier u. a. mit dem Amt Montabaur in den Besitz des Fürstentums Nassau-Weilburg überging und 1806 in das neu geschaffene Herzogtum Nassau eingegliedert wurde. Graf Philipp III von Nassau-Weilburg war 1526 der Reformation beigetreten und die Grafschaft war seither evangelisch-lutherisch. Die territoriale und administrative Neuorientierung im Verbund mit dem neuen Herzogtum Nassau bedingte einen verstärkten Zuzug evangelischer Christen. Montabaur war bis dahin überwiegend, fast zu 100 % katholisch, und eine evangelische Gemeinde spielte infrastrukturell keine Rolle.
Die Gemeindechronik der evangelischen Kirche in Montabaur beschreibt es so: „Im Laufe der Jahre nahmen mehr und mehr evangelische Bürger in Montabaur ihren Wohnsitz. Es waren wohl zunächst in der Mehrzahl evangelische Staatsdiener […] Ihnen folgten dann aber auch Handwerker, Geschäftsleute, Tagelöhner und Dienstboten.“
Im Jahre 1811 wohnten bereits 11 Protestanten [3] in der Stadt. Bis 1826 war die Gemeinde auf 93 evangelische Christen angewachsen.
Nach einer Initiative und „unterthänigsten Bitte“ von sechzehn evangelischen Bürgern vom 2. Dezember 1826, genehmigte der Landesherr, Herzog Wilhelm, am 7. April 1827 die Errichtung einer evangelischen Gemeinde in Montabaur. Mit dieser Genehmigung ging auch die Überlassung der ungenutzten Schlosskapelle einher, die bis zum Neubau einer evangelischen Kirche (Pauluskirche) im Jahre 1876 als Kirchenraum diente. [4]
Auszug
aus dem Gesuch an Herzog Wilhelm: „Im Laufe mehrerer Jahrzehnte hat sich in der
Stadt Montabaur und im hiesigen Amtsbezirke
eine Anzahl evangelische Christen niedergelassen. Fast alle hier angestellte Staatsdiener gehören diesem Glauben an und
entbehren nun, entfernt von ihrer Kirche, der Gemeinschaft
religiöser Andacht und des Mittels, ihre Kinder in den Lehren der Religion unterrichten zu lassen, was ihnen
ihren katholischen Mitchristen,
in der äußeren Religion eine
unerlässliche Pflicht erkennen, auffallend erscheinen muss und wohl nicht
geeignet ist, deren Vertrauen zu
gewinnen. Die hiesige Schlosskapelle der katholischen Gemeinde, welche sie bisher nur einmal im Jahr
zurfolge eines alten Herkommens zum Gottesdienste benutzt, ganz entbehrlich, könnte mit geringen Kosten
zu einem, der Zahl der evangelischen Einwohner
angemessenen Lokale, zur kirchlichen Versammlung eingerichtet werden.
Die territoriale Konfessionszugehörigkeit durch die Bestimmung des Landesherren hatte bis zum Beginn der Religionsfreiheit ab Beginn des 19. Jahrhunderts weitgehend Bestand.
Trotz der nunmehr seit gut 200 Jahren bestehenden Religionsfreiheit und Durchmischung der Konfessionen und Zuzüge sind diese Grundstrukturen konfessioneller Trennung in eng beieinanderliegenden Gemeinden heute noch feststellbar und nachfolgend dargestellt.
Bis zur Nutzung der Schlosskapelle als eigenem evangelischen Kirchraum besuchten die evangelischen Christen die nächstgelegene evangelische Kirche, im zum evangelisch geprägten Nassau gehörenden Eppenrod. Der Prozentanteil der evangelischen Christen beträgt heute in Eppenrod rund 59 %, zu rund 20 % Katholiken. Im Gegensatz dazu finden wir in der 8 Km entfernten katholischen Gemeinde Gackenbach heute noch den katholischen Anteil bei 52,5 % zu 19,5, % Protestanten.
Auch der Vergleich mit den beiden Städten, dem ehemals kurtrierischen Montabaur und der nassauischen Residenzstadt Weilburg an der Lahn gibt darüber Aufschluss. In diesen Städten finden wir bis heute noch die Spuren der einstigen territorialen Konfessionstrennung. Während in dem ehemalig katholischen Montabaur der katholische Anteil heute bei rund 40 %, zu rund 18. % Protestanten liegt, zeigt sich in der alten nassauischen Residenz Weilburg heute ein evangelischer Anteil von rund 60 % zu 20 % Katholiken.
Festzustellen bleibt, dass rund 200 Jahre nach der territorialen Konfessionstrennung und Durchmischung der Konfessionen immer noch ein Anteil zwischen 40 % und 60 % der bis zum Beginn des 19. Jahrhundert geltenden Formel „Cuius regio, eius religio“ in den Gemeinden/Städten vorherrscht.
Im Zuge der Entscheidung, Montabaur wieder zu einer Garnisonsstadt der neu aufgestellten Bundeswehr einzurichten [6], wurde am 5. November 1967 die neu erbaute 2. Kirche, die Lutherkirche, eingeweiht. Die neu geschaffene Pfarrstelle II, sollte die durch neu zugezogene Zivilangestellte der Bundewehr vergrößerte Gemeinde, ebenso wie die Bundeswehrseelsorge zukünftig betreuen.
Nachdem 2004 der Bundeswehrstandort aufgegeben wurde, entschied der Kirchenvorstand im Jahre 2019 die Gemeindearbeit neu zu ordnen und sich auf den Standort des Pauluszentrums in der Innenstadt zu konzentrieren und die Lutherkirche aufzugeben. Im Jahr 2021 wurde auf Beschluss des Kirchenvorstandes die Lutherkirche samt der umliegenden Grundstücke verkauft. Auf diesem Gelände entsteht ein neues Wohngebiet.
Am 31. Oktober 2021(Reformationstag) wurde die Lutherkirche durch einen feierlichen Gottesdienst als Kirche entwidmet.
Weitere Informationen zur evangelischen Kirchengemeinde Montabaur findet man auf der Internetseite Ø https://evki-montabaur.ekhn.de/startseite.html sowie in der/im Ø Gemeindechronik 1827 – 1997, Herausg. Ev. Kirchengemeinde Montabaur, 1997 Ø Gemeindebrief „Unsere Gemeinde“, September – November 2021
Bernd Schrupp 12/2021
[1] Stadtarchiv Montabaur Abt. 9.4. Nr. A 1
[2] Säkularisation = Auflösung und Übergang kirchlicher Einrichtungen (z.B. Klöster) und Vermögenswerte (z.B. Kirchensilber, Reliquien u.s.w.) in staatliches Eigentum
2Mediatisierung = bedeutete die Auflösung kleinerer weltlicher Territorien (Herrschaften, Grafschaften Fürstentümer, reichunmittelbare Herrschaften u.s.w.) und Eingliederung in ein größeres staatliches Territorium.
Die Mediatisierung erfolgte durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und bezweckte die Entschädigung von Landesherrschaften, für die Aufgabe französisch besetzter Landesteile auf dem linken Rheinufer.
[3] Aus „Nassauische Heimat“ Nr. 189 vom 11.Dezember 1927, Seite 24
[4] Schrupp, Bernd, „Die Schlosskapelle von Schloss Montabaur“, unveröffentlichtes Manuskript 2020
[5] Abschrift aus: Boucsein, Peter, a.a.O., siehe Literaturnachweis
[6] Schrupp, Bernd, „“Soldaten in Montabaur – Die Stadt als Garnison“, Beitrag in Heft 11 der Schriftenreihe zur Stadtgeschichte. Stadtarchiv Montabaur, Montabaur 2009
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