Sauerbrunnen

Am alten Rathaus in der Mitte der Altstadt am „Großen Markt“ findet man an der Mittelsäule der Rathausarkaden einen Laufbrunnen. Auf dem Erläuterungsschild ist zu lesen:

„Historische Mineralwasserquelle aus dem Sauertal, erstmals erwähnt 1350; Professor Jacob Dietrich Tabernaemontanus hat 1584 in seinem Buch „Neu-Wasserschatz – Beschreibung aller heylsamen Metallischen Mineralischen Bädern und Wassern“ unter dem Titel „Von dem Montebawrer Sauwerbrunnen und seiner Kraft und Wirckung“ Quelle und Wasser beschrieben:

Von dem Montabauwer Sauwerbrunnen und von seiner Kraft und Wirkung

Im Churfürstenthumb Trier, an den Grentzen deß Westerwaldes, entspringet in einem Teich ein guter und fürtreffenlicher Sauwerbrunnen nicht weit von der Statt Montabauwer, der ist von wegen seiner Säuwre, Schärpff und Räse sehr anmutig und lieblich am Geschmack, derwegen er auch von menniglich desselben Orths zum täglichen Trank gebraucht wird. Dieser Brunnen haltet in seiner Vermischung die Krafft und geistlichen Subtilitäten deß Salniters oder Bergsalts,  deß Eisens, Vitriols und rothen Bergschweffels oder rothen


Sauerbrunnen

Atraments. Under den gemeldten Stücken aber behelt das Eisen den Vorzug und das Primat, darnach der Salniter und Vitriol in gleichem Gehalt, letzlich der roth Atrament oder roth Bergschweffel“.

Nach dem 37. Kapitel werden die außergewöhnlich guten Eigenschaften des Sauerbrunnens aufgeführt:

„Er eröffnet die Verstopfungen der inneren Glieder, kompt zu Hülff den Lebersüchtigen und Miltzsüchtigen, sterckt den blöden, schwachen Magen, verzehret alle böse Feuchtigkeiten (Inkontinenz)und Fäulnuß, mildert und ändert die hitzige Entrichtung der Leber und aller innerlicher Glieder, kompt zu Hülff allen faulen Febern (Fiebern), und denen auch so von der scharpffen (scharfen) hitzigen Gallen ihren Ursprung haben, vertreibt das Keichen (Keuchen) und schwerlich Äthmen, stillet die Flüß des Haupts und aller anderer Glieder, und sonderlich die so in die Augen, in Halß, zu den Mandeln, zu der Brust, auff die Lungen und in den Magen fallen, vertreibt die Geelsucht (Gelbsucht/Hepatitis A) und Wassersucht, reyniget und säubert die Därm und alles Eingeweydt und stercket dieselbigen, vertreibet das Kriemen, Leibwehe und Därmgegicht, leschet den unersättlichen Durst, kommet zu Hülff den Gliedsüchtigen und denen so ohn Underlaß mit schmertzlichen Podagra beladen sind. Eusserlich stercket er die erlahmten, contrakten Glieder und stercket die Gelenk und Neruen. Vertreibt Reude, Grindt, Zitterschen und alle andere Vereynigkeiten der Haut“

Die Quelle, die über 400 Jahre eine wichtige und heilsame Wasserversorgung darstellte, verlor jedoch im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts ihre Qualität und wurde letztendlich 1768, nachdem das Wasser bereits 1728 als ungenießbar bezeichnet wurde, auf Anordnung des Stadtmagistrats zugeworfen. Ersatzweise wurde in harter Fronarbeit eine neue Quellfassung gegraben. Hofrat Linz schreibt in seiner Amtsbeschreibung von 1796:

„„Der Sauerbrunnen dient der mit schlechtem süßem Wasser versehenen ganzen Stadt zum gewöhnlichen Trunk und reicht auch hinlänglich dazu aus, leidet aber das Verstopfen nicht und also auch nicht das weitere Verschicke, sondern es heißt, daß solche Eigenschaft sich bei der ehemaligen neuen Fassung verlohren habe.“

Die neue Quellfassung, die man den „kleinen Sauerbrunen“ nannte, spendete schon bald nach 1728 frisches Wasser und wurde 1747 für rd. 223 Rtlr. instandgesetzt. Aufgrund eines „Amtsbefehls“ erfolgte 1751 ein weiterer Ausbau und Reparaturen an „beiden Röhren“. Die erneuten Kosten in Höhe von 350 Rtlr. sollten, nachdem 1747 die Stadt ein Darlehen aufgenommen hatte, nunmehr durch eine Bürgerumlage gedeckt werden. Die Bürger der betroffenen „Nachbarschaften“ legten Widerspruch ein und es kam letztendlich sogar zu einer Klage gegen die Stadt und zum Prozess. Nachdem die Bürger in erster Instanz ein Urteil zu ihren Gunsten erstreiten konnten, hatte die Berufung des Stadtrates jedoch letztendlich Erfolg. Mit Urteil vom 3.September 1760 entschied das kurfürstliche Hofgericht, auf Grund eines kurfürstlichen Hofdekrets vom 14. Oktober 1751, dass die Kosten „durch eine gemeinsame Kollekte“ [auf die Bürger / Anlieger] umzulegen sind.

Nachdem 1779/80 alle Arbeiten für die neue Fassung der „Sauerquelle“ abgeschlossen waren, wurden die Bürger nun für viele Jahre mit gutem Mineralwasser versorgt.

Für 1818 liegt eine Analyse mit folgenden Resultaten vor (1 Gran = 62,5 mg):

            In 16 Unzen Wasser (etwa 500 ml)

            a) Kohlensaures Eisen                   0,01 Gran

            b) Kohlensaure Kalkerde                2,03 Gran

            c) Bittererde                                    0,47 Gran

            d) Salzsauren Kalk, kohlensaures Natron und Extractivstoff  0,73 Gran

Eine aktuelle Analyse gibt für 1 Liter folgende Werte an:

            a) Kohlensäure                             2.400 mg

            b) Calcium                                       328 mg

            c) Magnesium                                  52  mg

            d) Natrium                                         46 mg

            e) Eisen                                         6, 15 mg

            f) Mangan                                       3,45 mg

Diese Analyse von 1818 hatte um 1831 wohl noch Gültigkeit, wird sie doch in einer Beschreibung des Herzogtums Nassau abgedruckt und die Quelle als „Mineralwasser“ bezeichnet.

Aus dem Kreisblatt für den Unterwesterwald vom 22.Juli 1891 erfahren wir, dass ein Gewölbe auf Straßenniveau angelegt wird. Außerdem wurde ein Pumpwerk in ein Brunnenhäuschen eingebaut. Gleichwohl musste bereits zwei Jahre später eine größere Reparatur an der Anlage durchgeführt werden. Danach, so ist der Zeitung zu entnehmen, befindet sich der Brunnen wieder in sehr gutem Zustande. Das Wasser wird als „crystallhell mit einem vorzüglichen Geschmack“ beschrieben.

Jahre nach dem ersten Weltkrieg, mit Amtsübernahme von Bürgermeister Heinrich Roth als Bürgermeister der Stadt, entstehen Überlegungen, den Sauerbrunnen auch touristisch nutzbar zu machen. Am 23. Mai 1930 wird in der Stadtverordnetenversammlung außer einer notwendigen Instandsetzung der Brunnenanlage auch beschlossen, ein Brunnenhaus im Gebück zu errichten. Im Zuge von Straßenbauarbeiten an der Quelle wurde auch eine Leitung in Richtung Gebück verlegt. Das Gebück sollte auch gärtnerisch neu angelegt werden, um so einen Ruhe- und Erholungsraum für Bürger und Touristen zu schaffen. Ein Jahr später mietete die Stadt einen unter der Aula des ehemaligen Lehrerseminars gelegenen Raum, der zu einer Brunnenhalle ausgebaut werden sollte.

Konkretisiert wurden die Planungen der Stadt in der Stadtverordnetenversammlung vom 16. August 1932. Sie beschließt,  „im Interesse des Fremdenverkehrs“ in dem angemieteten Raum unter der Aula eine Wandel- und Trinkhalle einzurichten ist.

Acht Monate später, rechtzeitig vor Beginn der Sommersaison konnte Vollzug gemeldet werden. Mit einer Bekanntmachung in der Westerwälder Volkszeitung vom 7. Mai 1933 verkündet die Stadtverwaltung

„Die neuerrichtete Wandelhalle im Anbau des Seminargebäudes in den Anlagen im Gebück wird am Sonntag, den 7. Mai 1933 zur Benutzung freigegeben. Die Wandelhalle ist mit einer Brunnenanlage (Sauerbrunnen), Ruhebänken, Zierpflanzen usw. versehen.

Vermutlich durch die allgemein reduzierten Verhältnisse während des Krieges wurde die neue Brunnenanlage nicht mehr hinreichend gewartet und unterhalten, sodass die Quelle gegen Endes des Krieges versiegte.

Die Quelle mit dem Brunnenhäuschen im Sauertal geriet in Vergessenheit, die Wandelhalle im Gebück verschwand mit dem ehemaligen Lehrerseminar, das Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts abgerissen wurde, um einem modernen Bürogebäude  Platz zu schaffen. Manche Zeitzeugen erinnern sich noch an die bloßen, nicht mehr im Gebrauch befindlichen Anlagen im Sauertal, wie auch an die Wandel- und Trinkhalle im Gebück.

Als im Jahre 1979 Fritz Schwind aus Eschelbach in den Stadtrat gewählt wurde inspirierte ihn seine Mutter, die sich noch an diese Zeit erinnerte, das Thema um den Sauerbrunnen noch einmal auf die Tagesordnung zu bringen.

Durch die CDU-Fraktion wurde ein Antrag eingebracht, wonach der ehemalige Sauerbrunnen durch eine Bohrung wieder erschlossen werden soll. Die rd. 60.000 DM (ca. 30.680 EUR) teure Bohrung war erfolgreich und es konnte eine trinkbare gute Qualität bescheinigt werden. Daraufhin entschloss sich der Stadtrat, im Zuge der Umgestaltung der Kirchstraße und großem Markt zur Fußgängerzone, eine Versorgungsleitung bis zum alten Rathaus am großen Markt zu legen. Am 10. Juni 1989 konnte der neue Laufbrunnen am alten Rathaus in Betrieb genommen werden und die Westerwälder Zeitung vom 12. Juni 1989 titelte: „Aus dem Löwenmaul rinnt traditionsreiches Wasser“. Seit dieser Zeit läuft in den Sommermonaten der Sauerbrunnen und wird von Bürgern und Touristen (wieder) gerne für eine Erfrischung genutzt.

Eine erneue Initiative (2017) von Fritz Schwind (Eschelbach) als Mitglied des  „Historischen Stammtischs“ zielt darauf, dem außergewöhnliche Angebot, das der Stadt hier zur Verfügung steht, zukünftig mehr Attraktivität zu verleihen.

So könnte z.B. neben einer informativeren Hinweistafel „die Stadt {...} jedes Jahr ein mit Stadtwappen und Jahreszahl versehenes Brunnenglas/Flasche  herausgeben werden, das käuflich erworben werden kann.“

Ein in ein historische Kostüm gekleideter Markt-Krämer könnte den Verkauf übernehmen und damit eine weitere Attraktivität, neben den Schuhobjekten, in der Innenstadt bieten.

Ein weiterer Vorschlag bringt noch einmal das Gebück ins Blickfeld, mit der Überlegung, dort wieder einen Pavillon/Trinkhalle zu errichten. Dort, in der abgeschiedenen Stille, im Schatten der Kirche und dem Ensemble der Fuhrmannskapelle, abseits der urbanen Unruhe, finden Bürgern und Touristen einen erfrischenden Trunk aus dem Montabaurer Sauerbrunnen. Vielleicht das eine tun und das andere nicht lassen?

 

Bernd Schrupp, 02/2017




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