Die Alte Kellerei

Politisch-geschichtliche Grundlagen

Das geistliche Erzbistum/Kurfürstentum Trier entwickelte sich aus dem seit dem 3. Jahrhundert belegten geistlichen Erzbistum Trier. In spätkarolingischer Zeit (ab 902) konnte das Erzbistum durch Schenkungen und Lehensbesitz sein Herrschaftsgebiet bis in den rechtsrheinischen Raum erweitern. Durch den Zuwachs nicht nur geistlicher Territorien, wurden zunehmend – neben den geistlichen und kirchlichen Strukturen des Erzbistums – auch eine zivile Verwaltung und Gerichte notwendig. Der Erzbischof vereinigte nunmehr die geistliche Führung im Erzbistum mit der obersten weltlichen Regierungs- und Gerichtsgewalt in seiner Hand. Allerdings waren die jeweiligen Territorien geografisch nicht in allen Landesteilen identisch. Die Expansion des Herrschaftsgebietes bedurfte nunmehr – und verstärkt etwa seit 1275 – einer administrativen und in geringem Umfang auch einer militärischen Struktur. Dazu bediente sich der Kurfürst so genannter „Vasallen" oder „Ministeriale", die sich aus regionalen Adelsfamilien rekrutierten. Durch die Vergabe von Lehen an diese Adelshäuser wurde ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis geschaffen, in dem die Vasallen als Gegenleistung Schwert- und Verwaltungsdienste leisteten. Die Adelssitze, oder andere strategische Punkte in der Nähe, wurden zu militärischen Schwerpunkten ausgebaut, um das überkommene Faustrecht zu unterbinden und für mehr Rechtsicherheit zu sorgen. Ein weiterer Zweck war die Sicherung der Verkehrswege. Sichere Verkehrswege waren eine wichtige Voraussetzung für Handel und Wandel sowie für das Wirtschaftswachstum des noch jungen Staates.

Erzbischof Balduin von Luxemburg begann um 1300 damit, Verwaltungsbezirke um diese Adelssitze zu schaffen, die als „Ämter" eingerichtet wurden. Den neu geschaffenen Ämtern stand der kurfürstliche Amtmann als Vertreter des Kurfürsten vor. Im Jahre 1235 begegnete eine Burgmannschaft unter dem Burggrafen Ruprecht von Nassau. Weitere 24 adelige Burgmannen aus dem Dienstadel des Westerwaldes und der Stadt Koblenz verstärken die Burgbesatzung. Nachdem diese zunächst überwiegend Sicherungsaufgaben erfüllte, setzte Erzbischof Boemund von Warsberg mit Ritter Hermann von Helfenstein den ersten belegten Amtmann (1293 genannt) für das Amt Montabaur ein.

Der Amtmann, als Vertreter des Landesherrn vor Ort, hatte im Wesentlichen für den allgemeinen (militärischen) Landschutz, die Verwaltung des nicht ökonomischen Bereichs einschließlich der Rechtspflege und die Fürsorge des Burggesindes, sowie die Unterhaltung der Burganlage zu sorgen.

Als weiteren wichtigen Funktionsträger setzte der Landesherr den Keller (auch Kellner genannt) für die Aufgaben der Finanz- und Wirtschaftsverwaltung ein.


Die Kell(n)erei, der Kell(n)er

Der Keller hatte seinen Sitz und Wohnung auf der Burg. Ihm zur Seite standen Schreiber, Boten, Außendienstbeamte zur Einsammlung abgabepflichtiger Naturalien und Gelder aus den zum Amt gehörenden Ortschaften. Die Kellerei war auch zuständig für die so genannte „innere Verwaltung". Insbesondere unterstanden ihr die Verwaltung des Dominalbesitzes, das Personalwesen (der inneren Verwaltung und der Leibeigenen) das Kassenwesen, Verwaltung und Unterhaltung der Verkehrswege, Einziehung der Steuer- Geld- und Naturalleistungen sowie umfangreiche Prüf- und Kontrolldienste der sonstigen Verwaltung. Allerdings wurden bestimmte Aufgaben der Kellerei auch an externe „Vollzugsbeamte" delegiert .

Die erste Nachricht über einen Keller in Montabaur begegnet uns in 1335. Der „Ritter und Dienstmann" Diederich von Staffel sollte für die Burg Balduinstein Burgleute rekrutieren, wozu er sich „rad(e)und willen unsers burggraven und Kelners zu Montabaur" einholte. Diese Nachricht entnehmen wir einem Vorgang vom 9. Februar 1335. Namentlich ist uns als erster Kellner des Amts Montabaur Johann von Rübenach (1347 – 1350) überliefert. Da bereits für 1335 ein „Kelner" überliefert ist, kann davon ausgegangen werden, dass das Amt des Kellers bereits mit der Einsetzung des Burggrafen/Amtsmanns, spätestens seit 1293, vorhanden war.

Aus dem Jahre 1589 ist uns für die Kellerei Montabaur folgender Zuständigkeitsbereich überliefert: Die Stadt Montabaur, Horressen, Eschelbach, Dernbach, Elgendorf, Ebernhahn, Siershahn, Holzhausen, Wirges, Moschheim, Staudt, Bergscheid, Leuterod, Ötzingen, Boden, Heiligenroth, Hobstedten, Holler, Reckenthal, Wirzenborn, Ober- und Niederelbert, Welschneudorf, sowie die Ortschaften der Kirchspiele Hundsangen, Nentershausen, Salz und Meudt. Für 1787 sind insgesamt 84 Dörfer und die Stadt Montabaur mit Horressen überliefert.

Die Erweiterung der alten Burg der Konradiner (um 1000 erbaut) wurde um 1250 begonnen und war zunächst nicht als reguläres Residenzschloss der Erzbischöfe/Kurfürsten vorgesehen. Sie diente im Laufe der Zeit als Nebenresidenz, Gästehaus, Jagdschloss und Verwaltungszentrum. Für die Amtsverwaltung dürften daher dort genügend Räume zur Verfügung gestanden haben.

Die für eine Kellerei notwendigen Lagerkapazitäten könnten um 1280 entstanden sein, als Erzbischof Boemund I von Warsberg (1286 - 1299) die Burganlage u.a. um „Höfe und Kammern" erweitern ließ.

Der Sitz der Kellerei wurde später in die Judengasse verlegt. Nach Vertreibung der Juden aus dem Erzbistum und der Stadt Montabaur ab 1418 erwarb vermutlich der Fiskus, d.h. das Erzstift („der Staat"), ehemalige jüdische Häuser. Einen ersten konkreten Hinweis darauf finden wir in der Übertragung eines Hauses (das „nuwe huys mit dem Crommen sale" – =das neue Haus mit dem krummen Saal -) das Erzbischof Werner von Falkenstein dem Salentin von Isenburg „zur Besserung seines Lehens verliehen habe". In dem Dokument wird die Lage dieses „neuen Hauses" beschrieben: „gelegen an der Kellnerei daselbst in Richtung der Sure Porte". Diese Übertragungsurkunde trägt das Datum vom 3. Juni 1415. Am 30. November 1420 erneuert Erzbischof Otto von Ziegenhain diese Übertragung und erneut wird die in der Nähe gelegene Kellerei als „stifsthuis" (= Eigentum des Erzstifts), „gelegen an der sure(n) porten" genannt. Die Nutzung eines zum „neuen Haus" gehörenden Speichers, für die Lagerung von Früchten (durch die Kellerei) behält sich jedoch der Erzbischof vor.

Eine erzbischöfliche Verfügung vom 11. März 1425 des Erzbischof Otto von Trier verleiht Dietrich (von) Staffel bis auf Widerruf sein Haus in Montabaur, genannt „die kellnerie" am unteren Tor".

Diese Übertragung ist Teil der Lehensübertragung, der das vererbbare Besitz- und Nutzungsrecht beinhaltet, jedoch keine Eigentumsübertragung darstellt. Ob dadurch bereits zu diesem Zeitpunkt der Amtssitz des Kellners wieder auf die Burg verlegt wurde ist unklar, da wir am 15. Juli 1491 noch einmal Nachricht darüber erhalten, dass sich die Kellerei noch in der Judengasse befunden hat. Für 1592 ist der Amtssitz wieder auf der Burg bezeugt.

Nach einem Inventarium von 1653 wird des „Kellners Kammer" mit Bettlade und einem zweiflügeligen Schrank erwähnt. Nach F. Michel a.a.O. befinden sich die Diensträume des Kellers im Südosttrakt des Schlosses.

Ende des 17. Jahrhunderts wird das Schloss überwiegend als Dienstwohnung für Amtsräume des Kellners genutzt, wofür im frühen 18. Jahrhundert zusätzlich zur kurfürstlichen Küche noch eine separate „Kellners-Küche" eingerichtet wird. Die Amtsverwaltung wird währenddessen vom Schloss in die Stadt verlegt. Dazu wird ein neues „Amtshaus" „hinter der Kirche" gebaut, die Grundsteinlegung erfolgt am 23.September. 1691.

Der Platz, der zum Teil an den Kirchhof anschließt begegnet als „Amtsplatz", der auch als Viehmarkt genutzt wird.

Wie bereits o. a. war der Kellner als „Finanzbeamter" des Kurfürsten zuständig für die Einziehung der vielfältigen Geld- und Naturalabgaben, sowie für die Anforderung und Überwachung der persönlichen Hand- und Spanndienste. Die Abgabe war zu allen Zeiten eine ungeliebte Pflicht, die gerade in den wirtschaftlich schlechten Zeiten zu manchem Widerspruch und Unmut in der Bevölkerung führte. Die Wirren des 30-jährigen Krieges trafen Amt und Stadt Montabaur nicht nur durch Brandschatzung, Plünderung und Belagerung. In diesen Kriegszeiten musste die geplagte Bevölkerung die Abgabenlast besonders bedrücken, wobei gleichwohl der Kellner, unter Umständen auch durch Repressionen, die Abgaben eintrieb. Dass es bis zu einer Mordtat führen konnte entnehmen wir einer Sammlung „Merckwürdigkeiten von der Stadt Montabaur", die der Vikar Martinus Neu um 1817 gesammelt hat. Darin heißt es: „1644 den 3. September ist der hiesige Herr Kellner Johannes Weidenbach in dem Wald von seinem Pferd herunter erschossen worden, wovon der Orts im Wald nocht Kellers-Kreuzchen heißt. Diese Mordtat hat begangen ein Müller von der sogenannten Ritzmühle, wegen anderen Diebstählen und Mordtaten wurde selber zum Tod verdammt, auf dem Gerichtsplatz kannte er daß sie auch jenen Kellner erschossen, welches bis dahin noch „erfahren gekonnt".

Ein prachtvolles Epithaph, das sich an der Nordseite des südlichen Querhauses in der Kath. Pfarrkirche „St. Peter in Ketten" befindet, erinnert an diese Bluttat.

Die Privatisierung

Im Jahr 1491 und 1534 erlebt Montabaur jeweils einen vernichtenden Stadtbrand, der sicherlich auch das Kellereigebäude in Mitleidenschaft gezogen hat. Auch das unmittelbar gegenüber liegende Gasthaus „Zum heiligen Geist" in der Werbhausgasse dürfte dem Feuer zum Opfer gefallen sein.

Der letzte Keller, der die Kellerei in diesem Hause leitete, Peter Koch von Bernkastel, erwarb am 23. Februar 1587 das Gebäude (als Brandruine?) von Erzbischof Johann VII. In der Urkunde heißt es: „gehaus zu Montabaur, die alte kelnerie genandt, hinter dem wirtzhaus zum heiligen Geist, in der Judengass gelegen, dass dan mit der zeit bawfelligh worden, deshalb uns und unsern ertzstifft nit sonderlich nutz gewesen ist…".

Aus der Formulierung: „die alte Kelnerie genandt" könnte abgeleitet werden, dass das Gebäude nach dem Stadtbrand schon eine Weile (1534 = Stadtbrand) nicht mehr als Kellerei genutzt wurde und sich daher – schon damals - „alte Kellerei" bis heute im Sprachgebrauch erhalten hat.

Ab dem Jahr 1592 spätestens hat der Keller wieder „freie Wohnung auf dem Schlosse" womit sicher auch der Amtssitz der Kellerei dort einhergeht.

Nach den bisher verfügbaren und ausgewerteten historischen Belegen wurde das Gebäude mindestens von 1415 bis 1534 (1591) als Kellerei genutzt.

Anstelle der (Brand)Ruine wurde 1594 ein neues Gebäude auf den noch vorhandenen Gewölbekellern neu errichtet.


Das Gebäude

Im Kontext mit dem Stadtbrand von 1534 kann davon ausgegangen werden, dass die Häuser Werbhausgasse/Judengasse auch durch die kurfürstliche Aufbauhilfe im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts neu errichtet wurden. Dabei hilft ein Vermerk aus dem Stadtratsprotokoll aus dem Jahre 1534 in dem protokolliert ist:

„Darauf (nach dem Stadtbrand) hat der Rat diesen Winter zwei Steinbrecher gehalten und die Stadt räumen lassen; es wurden Heinrich Erlenbachs und Heinrich Ferkes Häuser und etliche Keller davon gebaut und gewölbt."

Konkret verifizierbar ist das Fachwerk des benachbarten Gasthauses „Zum heiligen Geist" durch eine dendrochronologische Bestimmung, die einen Zeitraum von 1530 - 1560 ermittelt. Andererseits befindet sich das Baujahr auch an den Gebäuden selbst, z.B. an der alten Kellerei mit 1594 und am Haus Ecke Werbhausgasse/Kirchstraße (Hinterkeuser) mit 1570.

Allerdings müssen diese Häuser bereits vor dem Stadtbrand existiert haben. Wie oben ausgeführt, wurde die Kellerei an dieser Stelle schon 1415 erwähnt. Die nord-östliche Hauswand gründet auf einem Teil der Stadtmauer, die parallel zur Judengasse am Steilhang zur Sauertalstraße verläuft und damit das Kellergewölbe nach Nord-Osten abschließt. In beiden Räumen des Kellergewölbes findet sich ein Fensterdurchbruch in Richtung Sauertal. Die Anlage der Stadtbefestigung und der Stadtmauer ist zwar nicht genau zu datieren, dürfte aber bald nach der Stadtrechtsverleihung 1291 begonnen worden sein. Jedenfalls zeigt das ab 1300 bekannte große Stadtsiegel bereits Türme und Zinnen. Für 1324 ist eine Pforte an der Koblenzer Straße erwähnt. Das lässt darauf schließen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Stadtmauer existiert hat, die mit Pforten versehen war. Mithin ist es denkbar, dass der erste Bau der Kellerei (wie auch das Gasthaus zum „Heiligen Geist") im Zuge der Errichtung der Stadtmauer in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts angesetzt werden kann. Das korrespondiert insoweit auch mit der erstmaligen Erwähnung der „oberen suren porte", der oberen Sauertal-Pforte im Jahre 1340. Demnach wurde 1594 der Neubau auf das vorhandene alte Kellergewölbe gesetzt.

Ein weiterer Beleg für eine Bebauung vor 1534 (eventuell 1491, Stadtbrände) ist die Überbauung der vorhandenen Keller, die nicht überall deckungsgleich erfolgte, sodass unter Umständen die neu errichteten Häuser über mehreren alten Kellern aufgebaut wurden.

Die Erbauung des ursprünglich ersten Gebäudes der alten Kellerei dürfte damit in das erste Drittel des 14. Jahrhunderts angesiedelt werden.

Das Haus ist ein dreigeschossiger Fachwerkbau, dessen Erdgeschoß teilweise in Massivbauweise ausgeführt ist. Unter dem Gebäude liegen auf zwei Ebenen Kellergewölbe.

Der begehbare untere Keller umfasst zwei Räume, mit insgesamt rund 94 qm Grundfläche. Die Gewölbehöhe beträgt an der höchsten Stelle knapp 2,80 m. Die der Straßenfront (Judengasse) gegenüber liegende Kellerwand ist bereits Teil der Stadtmauer, die den Steilhang zur Sauertalstraße abstützt.

In beiden Kellerräumen finden wir jeweils einen Fensterdurchbruch, wobei der Durchbruch im linken Kellerraum, bei einer Breite von 0,76 m und einer Höhe von rund 1,75 m, begehbar ist. Das Fenster im anderen Kellerraum hat eine Größe von rund 0,80 x 0,80 m. Die Mauerstärke (der Stadtmauer) beträgt in diesem Bereich ca 1,27 – 1,30 m. Der Kellerbereich wurde zum Teil in neuerer Zeit unterschiedlich saniert. Es wurden Unterzüge aus Stahlträgern eingebaut, die Kellertreppe erneuert, sowie einige Zwischen- wände in eingezogen. Diese Maßnahmen sind zeitlich zeitlich nicht einzuordnen.


In der Neuzeit

Nach dem Verkauf an Peter Koch versinkt das Gebäude in der Anonymität diverser Privatbesitzer. Gut 400 Jahre erfahren wir nichts mehr, bis das Haus noch einmal in das Licht der Öffentlichkeit kommt. Bei dem von der Stadt ausgeschriebenen Fassadenwettbewerb für das Jahr 1984 erringt der Eigentümer Rolf Gerlach für sein Haus Elisabethenstraße 20 den ersten Preis. Nachdem bis 1990 noch einmal ein Handarbeitsgeschäft im Erdgeschoß einzog wurde es nach dem Tod der Geschäftsinhaberin wieder still um das alte Gebäude.

Nach dem Eigentumsverzicht der letzten Eigentümer im Jahre 2013 kam das nun „herrenlose" Gebäude in den Besitz des Fiskus. Die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises übernahm zunächst als zuständige Baubehörde das Objekt in ihre Betreuung und veranlasste eine Sicherung der maroden Bausubstanz. Ende 2016 geht das Objekt in das Eigentum der Stadt Montabaur über. Über die weitere Entwicklung wird zeitnah beraten, um eine vernünftige und tragbare Perspektive zu finden.


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